16

 

»Kennst du den Weg zu Fiats Haus?«, fragte ich Maata, als wir auf den Ort zufuhren.

»Nein, ich war noch nie da. Aber ich weiß, dass es an einem See liegt und ein riesiges, unterirdisches Gewölbe hat.«

»Wo es einen See und ein Gewölbe gibt, gibt es sicher auch Tunnels und Grotten«, sagte mein Zwilling und rappelte sich wieder hoch.

»Es könnte sein, dass wir durch die Hintertür besser hineinkomme «, stimmte ich ihr zu. Ich fuhr an eine Tankstelle und hielt dort. »Lasst uns mal sehen, ob wir die Adresse von Fiat bekommen; und dann greifen wir von der Seeseite aus an.«

Fünfzig Euro weiter waren wir auf dem Weg zum anderen Seeufer, wo der reiche Signor Blu lebte, wie uns der Mann an der Tankstelle, der von Maata bestochen worden war, gesagt hatte. Kurz vor dem Haus ließen wir das Auto in einer Sackgasse zurück und schlichen dann vorsichtig über den makellos gepflegten Rasen zum See hinunter.

»Siehst du eine Geheimtür zu einem unterirdischen Gang?«, fragte ich Cyrene leise. Es war noch früh am Abend, und es konnte durchaus sein, dass jemand spazieren ging, um frische Luft zu schnappen. Außerdem standen am See nur sehr teure Villen, die wahrscheinlich mit modernsten Sicherheitsanlagen ausgestattet waren.

»Nein, überhaupt nichts.« Cyrene blickte stirnrunzelnd aufs Wasser. »Aber ich fühle eine Unterwasserströmung. Allerdings kommt sie nicht von meiner Quelle - die ist im Norden. Dieser Strom hier ist anders, tiefer. Und ebenfalls verschmutzt. Allmächtiger, was habe ich diesem armen See angetan?«

»Für Reue ist jetzt keine Zeit; wir müssen einen Tunnel oder einen unterirdischen Gang finden, der uns in Fiats Haus bringt«, murmelte ich und zog sie weiter am Ufer entlang.

»Bevor wir weitergehen, könnten wir doch rasch einmal am Haus nachschauen, ob der Sportwagen da steht«, schlug Maata vor. »Wenn nicht, macht es keinen Sinn einzudringen.«

»Gute Idee«, sagte Cyrene und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Warum ist dir das nicht eingefallen, Mayling?«

»Ist es ja, aber ich habe gedacht, es würde sich lohnen, einen Blick auf Fiats Haus zu werfen, egal ob Baltic da ist oder nicht.«

»Warum?«, fragte Cy.

Ich ergriff Cy am Arm und steuerte sie vorsichtig um eine beleuchtete Anlegestelle herum. »Weil Aisling erzählt hat, dass jemand, der Baltics Bücher hatte, in Fiats Keller gewohnt hat. Das ist doch merkwürdig, oder?«

»Ja, sehr verdächtig«, stimmte sie mir zu.

Es dauerte etwa fünfundzwanzig Minuten, bis wir fanden, was wir suchten. Maata war vom Haus zurückgekehrt und berichtete uns, dass der Sportwagen nirgendwo zu sehen war. Aber das musste nichts heißen.

»Hier«, sagte Cyrene und zeigte auf den Boden. »Es ist hier.

Direkt unter uns ist der Eingang zu einer Höhle. Ich kann die Strömung spüren.«

»Ich sehe nichts«, sagte ich und blickte mich um. Wir standen am Rand von Fiats Anwesen, direkt an einer hohen Hecke, die die Grenze zwischen seinem Grundstück und dem Nachbargarten bildete. »Wo denn?«

»Hier, direkt unter uns.« Cyrene gab einen ungeduldigen Laut von sich, als Maata und ich durch die Hecke spähten. »Nicht da. Im Wasser unter uns.«

»Ein unterirdischer Eingang, ach so«, sagte ich. Ich zog meine Lederjacke aus und steckte sie in die Hecke. »Sehr clever von Fiat. Das Wasser ist zwar bestimmt kalt, aber wenn wir schnell machen, wird es gehen. Du tauchst als Erste, Cy, und wir folgen dir.«

Cyrene schlüpfte aus ihrem Mantel und watete ins Wasser. Sie schrie leise auf. »Eiskalt!«

»Sobald wir aus dem Wasser sind, wird uns schon wieder warm werden«, beruhigte ich sie. Ich wollte ihr gerade folgen, als Maata mich am Arm festhielt.

»May...«

»Hmm?« Ich drehte mich zu ihr um. Besorgt blickte sie zu Cyrene, die sich gerade daranmachte, in das kalte Wasser des Sees zu tauchen.

»Ich... du musst wissen, dass die Silberdrachen...«

»Kannst du etwa nicht schwimmen?«, fragte ich.

»Nein. Wir mögen Wasser nicht. Es ist nicht unser Element.«

»Cy!«, rief ich leise.

Cyrenes Kopf tauchte auf. Sie sah aus wie ein blauäugiger Seehund. »Was ist los?«

»Wie weit unter der Wasseroberfläche ist der Eingang?«

»Etwa viereinhalb Meter. Du kannst ohne Probleme die Luft anhalten.«

»Wenn du dich an mir festhältst, kannst du dann lange genug die Luft anhalten, bis wir beide durchkommen?«, fragte ich Maata. Ich hatte keine Ahnung, wie lange Drachen ohne Sauerstoff auskamen. Cyrene konnte praktisch im Wasser atmen, und ich hatte etwas von dieser Fälligkeit geerbt.

»Ich kann schon die Luft anhalten«, erwiderte Maata. »Aber es ist Wasser.«

»Mir ist klar, dass dein Element die Erde ist, aber bedeutet das auch, dass du Wasser nicht zu nahe kommen darfst?«

Gabriel zum Beispiel duschte doch gerne, wenn auch vielleicht nicht so ausgiebig wie ich.

»Nein«, gab sie zu. »Wir baden und waschen uns ja auch.«

»Dann schaffst du das hier schon«, sagte ich und wandte ihr den Rücken zu. »Halte dich mit einer Hand an meinem Gürtel fest und folge mir. Wenn du Probleme hast, ziehst du einfach an meinem Gürtel.«

»May...«, sagte sie, als ich aufs Wasser zuging.

»Entweder kommst du mit uns, oder du bleibst hier«, sagte ich. Eigentlich wollte ich sie nicht gerne am Ufer zurücklassen. Ich bezweifelte zwar nicht, dass ich mir selbst helfen konnte, aber je mehr wir waren, desto besser. Nur ein Narr begab sich alleine auf unbekanntes Terrain. Sie murmelte etwas, das wie ein Gebet klang, und berührte die silberne Kette, an der sie das Sippenemblem trug.

»Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert«, sagte ich und zog sie in den See. »Das verspreche ich dir.«

Maata verzog das Gesicht. »Ich bin diejenige, die dich beschützen soll.«

Cyrene beobachtete schweigend, wie ich die widerstrebende Maata ins Wasser lockte. Als ich ihren Kopf unter Wasser drückte, damit wir endlich tauchen konnten, begann sie sich zu wehren und hätte mich fast ertränkt, wenn nicht Cyrene von hinten gekommen wäre und sie durch festen Druck auf die Halsschlagader außer Gefecht gesetzt hätte. Ich drückte meine Hand auf Maatas Mund und packte sie hinten an der Bluse, während Cyrene ihr die Nase zuhielt. Wir holten tief Luft und tauchten hinab in das schlammige Wasser, wobei wir Maata mit uns zogen. Kurz bevor wir wieder auftauchten, kam sie zu sich und wand sich unter unseren Händen, um aus dem Wasser herauszukommen. Als ich mich schließlich mit ihr auf einen unterirdischen Felsen rettete, war ich völlig erschöpft.

»Entschuldigung«, keuchte Maata und krabbelte auf allen vieren aus dem Wasser. »Ich habe es versucht; ich habe es wirklich versucht.«

»Nicht deine Schuld«, erwiderte ich und rang nach Luft. »Ich bin nur froh, dass ich mit Cyrene früher einmal Unterricht in Kampfsport genommen habe.«

Wir befanden uns in einer kleinen Höhle mit einer niedrigen Decke. Sie wurde von Holzbalken gestützt, die so aussahen, als hätten sie schon bessere Tage gesehen. Leichte Klaustrophobie überfiel mich, als ich aufstand und meine Kleider auswrang. Es war kalt, und ich fröstelte, aber ich verdrängte mein Unbehagen einfach.

»Da ist der Bach«, sagte Cyrene und richtete ihre Taschenlampe auf ein Rinnsal, das in den See floss. Daneben verlief ein schmaler Felsvorsprung, der sich in der Dunkelheit verlor.

Maata hob den Kopf und schnüffelte. Es roch moderig und nach feuchter Erde. »Hier waren Drachen.«

»Kürzlich?«, fragte ich und blickte mich nach Fußspuren um. Es gab aber keine.

»Nein. Aber ich fühle es. Sie müssen ganz in der Nähe sein.«

Cyrene leuchtete den Pfad entlang. Ihre Lampe reichte allerdings nicht weit in die Dunkelheit hinein. »Ah... du gehst als Erste«, sagte sie und drückte mir die Taschenlampe in die Hand.

»Feigling«, murmelte ich.

»Du bist doch die mit den tödlichen Fähigkeiten«, erklärte sie und reihte sich hinter Maata als Letzte ein.

Wir sahen nichts Schlimmeres als Ratten und Tierknochen. Schließlich gelangten wir an eine Ecke. Der Bach verschwand in einem Rohr, und der schmale Felsvorsprung wurde zu einem breiteren Weg. Über meinem Kopf blitzte etwas, und ich blieb stehen, um es mir genauer anzusehen. »Hier hat jemand Lampen installiert. Sollen wir riskieren, sie einzuschalten?«

»Oh ja, bitte.« Cyrene rieb sich fröstelnd die Arme. »Alles ist besser, als im Dunkeln zu gehen.«

»Besser nicht«, sagte Maata. »Am Ende kommt noch jemand hier herunter.«

»Da hat sie recht«, sagte ich. Wir gingen weiter, bis der Weg sich gabelte. »Na toll. Links oder rechts.«

Maata schnupperte in beide Richtungen, dann zuckte sie mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

»Cy?«, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. »Das Wasser ist hier tief in der Erde. Das ist alles, was ich dir sagen kann.«

Ich warf im Geiste eine Münze und entschied mich für den rechten Weg. »Wenn es sein muss, können wir ja immer noch umdrehen und zurückgehen.«

»Vorausgesetzt, wir finden den Rückweg«, sagte Cyrene düster.

»Hör auf, so pessimistisch zu sein. Bis jetzt war es doch noch gar nicht schlimm, und wenn unsere Batterie alle ist, können wir das Licht einschalten... oh.« Vor uns türmte sich ein Schutthaufen auf. »Wir nehmen wahrscheinlich besser den anderen Weg.«

Maata hielt mich am Arm zurück. »Nein, wir sollten hier entlanggehen.«

»Warum?«

Einen Moment lang stand sie stocksteif da. »Ich spüre Wut. Heftige Wut.«

»Glaubst du, jemand ist in der Nähe?«, fragte ich flüsternd und blickte mich um. Außer Felsen, Schmutz und zerbrochenen Holzbalken war nichts zu sehen.

»Ja.«

Ich richtete den dünnen Strahl der Taschenlampe auf den Schutthaufen. »Das ist ja alles schön und gut, aber wir müssen einen anderen Weg nehmen. Hier kommen wir nicht durch.«

Maatas Zähne schimmerten weiß im schwachen Licht. »Unter Wasser mag ich mich ja nicht so geschickt anstellen, aber das hier ist die Erde. Sie kennt mich und wird sich meinen Wünschen beugen. Tretet zurück, ihr zwei. Ich bitte die Erde, uns durchzulassen.«

Und zu meinem Erstaunen tat sie genau das. Cyrene und ich beobachteten, wie sie anscheinend mühelos ein Loch durch den Haufen grub, so als ob die Erde ihr gehorchen würde.

»Schade, dass du ein Drache bist«, sagte Cyrene bewundernd, als Maata zurücktrat und sich die Hände abklopfte. »Du wärst ein großartiges Elementarwesen geworden.«

»Manche sagen, der erste Drache sei aus einem Elementarwesen entstanden, und deshalb fühlt sich jeder Drache zu einem Element hingezogen. Wenn wir vorsichtig sind, müssten wir durch die Öffnung hindurchkommen.«

Mir erschien das Loch ein wenig eng, aber ich sagte mir, wenn Maata für uns ins Wasser ging, dann konnte ich mich ja wohl durch ein Loch in der Erde zwängen. Wir kamen durch und gingen leise weiter den Gang entlang. Schließlich näherten wir uns einem hellen Bereich. Ich wurde zum Schatten und kroch vor Maata und Cyrene her, wobei ich innehielt, als der Gang scharf um die Ecke bog. Vor mir befand sich eine halb geöffnete Tür, vor der zahlreiche Fässer standen. Leise schlich ich darum herum und spähte durch die Tür in ein Schlafzimmer. Durch die geschlossene Tür gegenüber drangen Stimmen.

»Was ist da?«, flüsterte Cyrene und versuchte, mir über die Schulter zu blicken. »Ist das ein Bett?«

»Ja. Bleibt hier. Ich sehe mal nach, wer im Raum nebenan ist«, antwortete ich. Maata gab einen erschrockenen Laut von sich.

»Mich sieht schon keiner«, beruhigte ich sie und huschte auf Zehenspitzen durch das Schlafzimmer. Ganz vorsichtig drückte ich die Tür einen Spalt weit auf. Ich konnte jedoch nur die Kante einer Wand sehen und den Eingang zu einem größeren Raum, der anscheinend als Wohnzimmer diente. Ein Mann lehnte lässig, mit dem Rücken zu mir, an der Wand, aber der lange braune Pferdeschwanz kam mir bekannt vor.

Es blitzte blau auf, als ein anderer Mann gestikulierend das Zimmer durchquerte. »... so unrealistisch sein? Du verlangst etwas Unmögliches. Ich werde meine Sippe nicht in Gefahr bringen, indem ich meine Erlaubnis hierzu gebe.«

Die Stimme einer Frau antwortete: »Deine Sippe gibt es nicht mehr. Die Situation hat sich geändert, und wir müssen entsprechend darauf reagieren. Jetzt wo die Silberdrachen ein Stück Drachenherz besitzen - und das der grünen bekommen sie bestimmt auch - , müssen wir die restlichen Stücke zusammenhalten.«

»Wer ist das?«, fragte Cyrene fast lautlos. Sie und Maata waren hinter mich geschlichen. Cyrene kniete hinter mir, um etwas sehen zu können, während Maata, die ja mindestens einen Kopf größer war als ich, einfach über mich hinwegblickte.

»Fiat, der Mann, der vielleicht Baltic ist, und eine Frau, die ich nicht... Agathos daimon«, fluchte ich, als die Frau vor Fiat trat. »Das ist Bao.«

»Du lässt dich von deiner Gier nach dem Drachenherzen leiten«, antwortete Fiat. Seine Augen glitzerten böse. »Das ist ein Fehler, den deine Vorgängerin nicht gemacht hat.«

»Es geht hier nicht um Chuan Ren«, erwiderte Bao geringschätzig und verschwand aus meinem Blickfeld. »Ich regiere die roten Drachen jetzt, und sie folgen meinen Befehlen. Wenn du möchtest, dass wir dir dabei helfen, deine Sippe wiederzubekommen, wirst du das Marcella-Phylakterium zerstören und aufhören, meine Zeit zu verschwenden.«

»Und mich dadurch in eine noch schwächere Position bringen?« Fiat schüttelte den Kopf. »Darin sehe ich keinen Sinn.«

»Du siehst nur keinen Sinn darin, weil du kurzsichtig und ignorant bist«, fuhr Bao ihn an.

Fiat zuckte zusammen, als hielte er sich nur mühsam davor zurück, sich auf sie zu stürzen. Ein träges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und er wandte sich mit hochgezogener Augenbraue an den Mann mit dem Pferdeschwanz, der immer noch an der Wand lehnte und die Szene ruhig beobachtete. »Und was ist mit dir, mein alter Freund? Was sagst du zu dieser Änderung unserer Pläne, die der rote Wyvern von uns verlangt?«

»Ich habe das Drachenherz niemals gewollt, noch nicht einmal, als ich es hätte haben können«, antwortete der Mann gedehnt. Seine Stimme klang rau, als sei er es nicht gewohnt zu sprechen. »Solange meine eigenen Pläne nicht betroffen sind, habe ich zu dem Thema keine Meinung.«

Fiats Augen blitzten ärgerlich auf. »Eine solche Haltung ist bewundernswert, aber es fehlt ihr an Voraussicht. Deine Pläne könnten durchaus betroffen sein, wenn der rote Wyvern sein Ziel erreicht und das Herz zusammenfügt.«

Der dunkelhaarige Mann zuckte mit den Schultern. »Es bleibt abzuwarten, ob das Herz überhaupt benutzt werden möchte.«

»Pah«, schnaubte Fiat. »Das Herz ist dazu da, um benutzt zu werden. Es hat keinen eigenen Willen. Du hast zu lange in der Vergangenheit gelebt, mein Freund. Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen auch die Drachen. Wir hängen nicht mehr abergläubischen Vorstellungen an.«

»Ja«, stimmte der Mann milde zu, aber in seiner Stimme war ein Unterton, der mir Angstschauer über den Rücken jagte. »Die Zeiten haben sich geändert.«

»Nur du bleibst unerschütterlich, was?«, fragte Fiat aggressiv.

»Das geht aber nicht. Du musst Stellung beziehen, und zwar hier und jetzt. Willst du unseren Plan oder den des roten Wyvern unterstützen?«

»Mir ist es gleich«, antwortete der Mann und richtete sich auf. »Gib ihr das Stück oder lass es bleiben. Aber überleg es dir gut, bevor du mich noch einmal ohne Grund rufst. Ich mag ja altmodisch sein in deinen Augen, aber ich gebe mich nicht gern mit Narren ab.«

In diesem Moment erschien die kupferhaarige Frau, die ich mit ihm auf dem Platz gesehen hatte, in der gegenüberliegenden Tür. Sie blickte sich rasch im Zimmer um. Maata, Cyrene und ich erstarrten, aber sie schien zum Glück nicht zu bemerken, dass die Tür einen Spalt weit offen stand. Sie blickte den geheimnisvollen Mann an und sagte zu ihm: »Ich habe alle Vorkehrungen getroffen. Wir sollten jedoch bald aufbrechen.«

»Ich bin fertig hier; wir gehen jetzt«, antwortete er und ging zur Tür. Bei Fiat blieb er stehen. »Du hast mir geholfen, als ich Unterstützung brauchte, und aus diesem Grund gebe ich dir einen Rat: Der natürliche Machtfluss sollte immer zu einem Wyvern hin und niemals von ihm wegfließen.«

Fiat erwiderte nichts, sondern sah dem Mann und der Frau nur hinterher, als sie den Raum verließen und ihn mit dem roten Wyvern allein ließen.

»Er ist viel zu alt«, sagte Bao verächtlich. »Er versteht nicht, dass man sich die Macht aneignen muss.«

»Er ist sehr starrsinnig«, stimmte Fiat ihr zu und trat an den Marmorkamin, wo ich ihn so eben noch sehen konnte. Über dem Kaminsims hingen zwei echt aussehende gekreuzte Schwerter. Fiat berührte eines und fügte nachdenklich hinzu: »Aber vieles wissen wir auch aus Erfahrung, und wenn ich eins im Lauf der Zeit gelernt habe, so ist es, Erfahrung nie zu unterschätzen.«

»Aber dieser Rat wird dir deine Position im Weyr nicht wieder verschaffen«, erwiderte Bao schneidend.

»Das vielleicht nicht, aber ich habe seinen Worten einen wertvollen Hinweis entnommen.«

»Macht fließt zum Wyvern, nicht von ihm weg«, sagte sie spöttisch. »Wie... banal.«

»Oh, es geht nicht um das, was er gesagt hat«, antwortete Fiat und räumte freundlich lächelnd eine kleine Vase vom Kaminsims. »Aber die Erinnerung an das erste Mal, als ich diesen Rat gehört habe, hat mir die Lösung des aktuellen Problems gebracht.«

»Genug geredet«, sagte Bao gelangweilt. »Ich habe es langsam satt.«

»Dann will ich dir eine kleine Geschichte erzählen, die dir die Langeweile schnell vertreiben wird«, sagte Fiat und drehte sich zu ihr um. »Es war einmal, wie die Sterblichen so gerne sagen, ein Wyvern namens Baltic. Er war ein friedliebender Mann, wurde aber durch die Dummheit und die Gier anderer Drachen, die seine Sippe zerschlagen wollten, in einen Krieg getrieben. Eines Tages waren alle seine Freunde verschwunden, seine Sippe war nahezu ausgelöscht, und sein eigener Erbe wollte ihn töten.«

»Dafür habe ich jetzt keine Zeit«, sagte Bao, aber er unterbrach sie.

»Angesichts von so viel Tod und Zerstörung tat Baltic das Einzige, was er tun konnte.«

»Sterben«, sagte Bao. »Durch die Hand seines Erben. Baltic war genauso wenig ein brillanter Wyvern, wie dies eine brillante Anekdote ist, obwohl sie natürlich auf deine Situation passt.«

»Mehr, als du ahnst«, erwiderte Fiat mit einem Lächeln, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Bao schnaubte und wollte etwas sagen, aber Fiat riss mit einer blitzschnellen Bewegung das Schwert von der Wand und sprang auf Bao zu. Ich konnte ihn zwar nicht mehr sehen, aber es gab ein schreckliches, zischendes Geräusch, ein Gurgeln und dann einen Plumps, als etwas Schweres zu Boden fiel.

Dann trat Fiat wieder in mein Blickfeld und wischte die blutige Schwertklinge mit einem Lappen ab. »Wie mein guter Freund sagt, Macht fließt zum Wyvern, nicht von ihm weg.«

Er lächelte zufrieden, als er das Schwert wieder an die Wand hängte.

Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_000.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_001.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_002.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_003.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_004.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_005.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_006.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_007.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_008.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_009.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_010.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_011.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_012.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_013.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_014.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_015.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_016.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_017.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_018.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_019.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_020.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_021.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_022.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_023.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_024.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_025.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_026.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_027.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_028.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_029.htm
Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11_split_030.htm